« L’action politique peut intervenir sur le
terrain de la langue, et autant elle est faiblement efficace quand elle
s’exerce contre les tendances sociales profondes, autant elle est puissante, paradoxalement,
lorsqu’elle agit dans le sens de ces tendances. C’est, je crois, une loi
sociologique qu’on ne découvre pas sans tristesse. »
Das Zitat stammt von Pierre Bourdieu und wird in einem kurzen, aber beachtlichen
Beitrag von Fernand Fehlen in der Septembernummer des « Forum » unter
dem Titel « Die Alphabetisierung in Luxemburgisch als Zukunftsprojekt
« aufgegriffen. Fehlens Artikel entstand also vor der Publizierung der
Petition von Lucien Welter.
Wenn die „tiefen sozialen Tendenzen“ der Sache zutragen, kann der Eingriff
der politischen Aktion in die Sprachsituation wirksam sein, wenn dieser
Eingriff denn auch gewollt ist. Welters Petition ist einerseits von einer
soziologischen Entwicklung getragen und wird von einer verwerflichen,
zeitgeistigen, retrograden Welle „polluiert“. Trennt man beides nicht deutlich
und entschlüsselt es, kann bei der derzeitigen Aufregung um Welters Petition und
den großen Zuspruch, den sie findet, nur zusätzliche Verwirrung geschaffen
werden.
Die Petition ist schlecht formuliert und vermischt Ziel und Begründung. Sie
postuliert, dass die luxemburgische Sprache vom Aussterben bedroht ist, was
nachweislich nicht stimmt, da die Zahl der Sprecher ständig wächst. Über die
Gefahr hingegen, dass unsere Sprache durch die steigende Penetrierung des
Deutschen, wahrscheinlich wegen der Dominanz der deutschen Medien, Gefahr
läuft, ihre Eigenständigkeit zu verlieren, wird nicht reflektiert. *)
Bleiben wir aber erst mal bei den Forderungen, dem „but de la pétition“: Die luxemburgische Sprache in den Schulen
stärker unterrichten und sie als „Schulsprache“ fest legen. Es ist wohl
richtig, um die Chancengleichheit zu pflegen, auch im Sinne der Kinder, die das
Luxemburgische nicht als Heimsprache haben, das Luxemburgische vor allem in den
ersten Jahren (précoce und Zyklus 1) stark zu fördern und danach das
Luxemburgische zu pflegen und es auch dagegen zu schützen, dass es nicht vom
Deutschen aufgegessen wird. Die Alphabetisierung in Luxemburgisch steht im Raum
und darf nicht zum Schlagwort der „fachosphère“ **) im Netz werden.
In den Mitteilungen aller Verwaltungen
soll das Luxemburgische als erste Sprache benutzt werden, gefolgt von den
Übersetzungen auf Französisch und Deutsch. Was spricht dagegen? Das
Chamberbliedchen soll wieder auf Luxemburgisch erscheinen – aber das ist doch
der Fall.
Das Französische soll nicht mehr von
der Regierung als ausschließliche Amtssprache benutzt werden, und die Urteile der Gerichte sollen wenigstens auf
luxemburgisch mitgeteilt werden.
Das müsste doch machbar sein.
So weit, so gut. In der Begründung („motivation de l’intérêt général de la
pétition“) kommen dann noch Forderungen hinzu, die eigentlich unter den „but de
la pétition“ gehören müssten. Das Gesetz vor, wenn gesetzgeberische Akte und
ihre Ausführungsbestimmungen auf französisch und luxemburgisch veröffentlicht
werden, dass dann der französische Text maßgeblich ist. Das stört Welter, der
darauf hinweist, dass es eine offizielle luxemburgische Orthographie gibt. Nun
geht es hier wohl nicht um die Orthographie, sondern um die Präzision der
Sprachen und ihrer Begriffe. Das Luxemburgische ist wohl nicht genug
ausgereift, um komplizierte Fragen präzise aus zu drücken. Die Frage ist aber
berechtigt, ob unsere Sprache, die wie alle im Wandel ist, sich nicht auch in
die Richtung dieser Präzision entwickeln kann. Ich lese aus dem Text von Welter
nicht heraus, dass die Gesetze fortan in Luxemburgisch verfaßt sein sollen. Andere
Lesen haben dies aber so verstanden. Diese Schwierigkeit in der Lesart ist
natürlich durch die schlechte Formulierung bedingt.
Schließlich fordert Welter erst in der Begründung der Petition die Erhebung
des luxemburgischen zu einer der vielen
Amtssprachen der europäischen Union, was ohne Zweifel zu einer
Stabilisierung des Luxemburgischen führen würde und viele Arbeitsplätze
schaffen würde. Es gibt nicht wirklich einen Grund, das Luxemburgische nicht
als europäische Amtssprache zu verlangen.
Für die Linke stellt sich bei dieser Petition die Frage, wie sich verhalten.
Es gibt eigentlich hauptsächlich formale Gründe diese Petition nicht zu
unterstützen. Der Text ist einfach nicht stimmig, einige Behauptungen sind
strikt falsch. Am wenigsten sind die Forderungen zu beanstanden doch um diese
müsste es eigentlich gehen.
Ein Schlagargument, diese Petition abzulehnen, wäre es, dass man sich in
die Gesellschaft des braunen Miefs begibt, wenn man eine Unterschrift liefert. Auf
dem Forum der Abgeordnetenkammer macht sich der Neofaschist Peters aus Tetingen
breit, der schon mal auf einer Demo der Neonazipartei NPD in Rheinland-Pfalz
das Wort ergriffen hat. Manche Beiträge sind zum Kotzen fremdenfeindlich und
brutal dämlich.
Die Linke im allgemeinen leidet nun darunter, dass sie die Frage der
Sprache nicht konsequent genug behandelt hat. Es gibt bei „déi Lénk“ gute
Papiere zur Erhebung des Luxemburgischen als gemeinsame Integrationssprache der
kleinen Schulkinder. Es gab ein spezifisches Seminar zum Sprachgebrauch in der
Schule. Der Erhalt der luxemburgischen Sprache als kollektives Gut der Nation
wurde in vielen Äußerungen von Vertretern von déi Lénk in der Kammer und anderswo
verteidigt. Aber es gibt eben kein überzeugendes Profil der Linken in dieser
Hinsicht, so dass die extreme Rechte sich damit profilieren kann.
Manches ist nicht geklärt und es ist z.B. nicht evident, die Frage des
Sprachunterrichts in den mittleren Schulen zu regeln, wenn man davon ausgeht,
dass die Mehrsprachigkeit unantastbar und eine Überbeanspruchung der
SchülerInnen zu verhindern ist. Fernand Fehlen wiederholt in seinem Artikel,
die Richtung die er bereits vorgeschlagen hatte: „Die erforderliche
Umgewichtung der Sprachen wird auf Kosten des Deutschen und zu Gunsten von
Luxemburgisch und Englich geschen.“ Das ist doch eine klare Aussage. Warum kann
die Linke sich nicht zu klaren Aussagen dieser Art durchringen.
Da wäre noch die Frage des Französischen. Manche SchülerInnen der oberen
Sekundarschulklassen haben einen regelrechten Hass auf das Französische
entwickelt und tragen diesen nach Abschluss ihrer Studien nach. Wie ist es
möglich, dass die SchülerInnen nach 12 Jahren (!) Französischunterricht derart
in Konflikt mit dieser reichen Sprache stehen? Was stimmt nicht mit dem Französischunterricht?
Oder ist die Ursache in einer ganz anderen gesellschaftlichen und nicht rein schulischen
Entwicklung zu suchen? Es gibt seit Anfang des 19.Jahrhunderts immer wieder
Umwälzungen der dominanten Stimmung zu den Nachbarsprachen wie auch zu den
Nachbarländern. Nach den Kriegen 1918 und 1945 war die Zuneigung zum
Französischen evident. Mit dem Wechsel der Generationen und dem Wechsel der
„Televisioun“ zum „Fernseh“ wurde das Deutsche medial frei Haus aufgewertet. Es
wird wieder geschunkelt und die Turnvereine fahren zum Oktoberfest, eine wahre
kulturelle Bereicherung. Das Englische spielt in der Jugendkultur eine immer
größere Rolle. Nimmt man das einleitende Zitat zu diesem Artikel wörtlich, dann
wird es schwer werden, die französische Sprache in Luxemburg mittels der (schul)politischen
Aktion auf Niveau zu halten. Das wäre ein Jammer.
*) Da ich kein Linguist bin, möchte ich diese Feststellung unter Vorbehalt
treffen. Ich erfahre, dass immer mehr – vor allem junge Menschen – „Däitsch op Lëtzbuergesch
schwätzen“ indem sie die Wörter einfach vom Deutschen übernehmen,; dass das
Partizip der Vergangenheit im Luxemburgischen verschwindet (genaat – genetzt,
gebutt – gebitzt und bald: geschwaat – geschwetzt?); dass in der Aussprache - auch
im Radio - die deutsche Aussprache des „y“ angewandt wird („Olümpiad“), und die
deutsche Aussprache des „j“ als „i“ („Här Iost“, was mich nervt, und bald: „de
Iang an d’Iosephine“). Dennoch halte man sich besser an die Linguisten, um
diese Entwicklung zu beurteilen. Auch die militanten Verfechter des
Luxemburgischen, die man dieser Tage in den Netzwerken liest und von denen man
nicht weiß, ob es ihnen tatsächlich um die Sprache geht, schreiben oft
schlechtes Luxemburgisch, Herr Welter nicht ausgenommen.
**) Dieser Ausdruck wird mittlerweile in Frankreich für die, in den
Sozialen Netzwerken geifernden Chauvinisten, Rassisten und Hassprediger
verwendet, die in allen Ländern und eben auch bei uns einen vermeintlichen
mainstream darstellen wollen. Welter gehört wohl nicht dazu und man sollte ihn
auch nicht behandeln, wie man Faschisten behandelt.
Frank Jost 26.9.2016 (auch in „Goosch“)
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