Da wäre zuerst die völlige Abwesenheit einer sozialen Dimension in der
« Dritten Industriellen Revolution ». Die Autos werden ohne Fahrer fahren, doch weiß man, dass
es mehr Autos wegen mehr Werktätigen gar nicht mehr möglich sind. Die
Bevölkerungsperspektiven würden nahezu eine Verdoppelung des Wohnraums fordern.
TIR-Lëtzebuerg befasst sich nur mit smartem Wohnen.
Rifkins
Vorgaben
Die einzelnen Kapitel, die die dritte industrielle Revolution auffüllen,
werden mit einer kurzen Bestandsaufnahme eingeleitet, gefolgt von einem
„narrative“ einer Art Vorgabe, die den Stempel der allgemeinen Vorstellungen
von Jeremy Rifkin trägt. Anschließend werden die Kapitel dann „strategisch“ aufgefüllt.
Hier muss daran erinnert werden, dass drei der wichtigsten Werke von Rifkin die
aufschlußreichen Titel tragen: „La Fin du travail“, „La Troisième Révolution
industrielle“ und „La nouvelle société du coût marginal zéro“(auf französisch
bei éditions LLL-Les liens qui libèrent). Rifkin ist ein „Prognostiker“, er
sieht die Zukunft voraus. Man sollte ihn nicht als Hellseher betrachten, doch
stellt er immer seine Vorstellungen voran um sie dann mit real feststellbaren
Tendenzen zu untermauern. Das ist eine anfechtbare Methode. Und wenn die
Tendenzen sich nicht fortsetzen...
Nun kommt es dazu, dass Rifkin, der das Ende der Arbeit voraussagt – weil,
grob gesagt, die Automatisierung alles erledigen wird - in einem kleinen, etwas
untypischen Land eine Spielwiese findet, die jedes Jahr 10.000 neue
Arbeitsplätze schafft und unter anderem deshalb eine Reihe von strukturellen
Problemen hat. Wenn das kein Widerspruch ist!
Energiewende
Rifkins Thesen zur Energiewende sind fortschrittlich und ökologisch, doch stoßen
sie heftig auf die gängige Praxis des luxemburgischen Staates und seiner sich
abwechselnden Regierungen. Da wäre zuerst der Widerspruch zwischen der
geforderten Dezentralisierung der Energieproduktion, der gescheiten Vernetzung
der Energieströme (smart grids und smart metering), die in zwei Richtungen
laufen sollen, und der Struktur des Energiemarktes in Luxemburg.
Diese Dezentralisierung stößt auf die quasi-Monopolstellung der privatwirtschaftlichen
Enovos, die nun einmal daran interessiert ist, möglichst viel Strom zu
verkaufen und die Abwicklung fast sämtlicher lokaler, kommunaler Strombetreiber
vor einigen Jahren. Rifkins rosarote Zukunftsbeschreibung, mit 70% eigener und
grüner Stromproduktion bis 2050, widerspricht den aktuellen Zielen von 11% bis
2020, der lahmen Bereitschaft von Staat und Gemeinden, stärker in eine solche
Produktion ein zu greifen, sowie der Wachstumsprognosen sowohl was die
Wirtschaft, den Bevölkerungszuwachs und den Zuwachs an Grenzgängern anbelangt,
die alle drei vor allem den Energieverbrauch massiv steigern werden und den
prozentualen Anteil an grüner Eigenproduktion an Energie in der Tendenz
entsprechend senken und nicht steigern können. Sie stößt außerdem auf die
begrenzte Sichtweise der offiziellen Stellen auf die Regionalentwicklung, die
eher in einem Konkurrenzdenken als in einer realen Kooperation behaftet ist. Ein
Beispiel: Vorschläge, den Überschuss der noch gänzlich kommunalen Stromgesellschaft
Südstroum aus Esch, in ein Windkraftwerk im 10 km entfernten lothringischen
Pays haut zu investieren – weil die Escher Fledermäuse solche Mühlen nicht
mögen - stoßen auf völliges Unverständnis; die Köpfe sind zu schnell
zugewachsen und konnten die Grenzen nicht rauslassen.
Wachstum
und Verkehr
Diese Sparte ist wirklich schwach. Rifkin deutet darauf hin, dass manche
Luxemburger die Vorliebe besitzen, mit
starkzylindrischen Protzwagen jeweils ein paar Kilometer zurück zu legen. Ja,
„die deutsche Fernseh“! Die Schwäche liegt vor allen darin, dass die empfohlene
neue Vision der Transportpolitik in der Technikbesessenheit untergeht. Autos
ohne Fahrer können rationaler durch den Massenverkehr geleitet werden, es
können Fahrgemeinschaften organisiert werden, der elektrische Sprit kann mit
den dezentralen Überschüssen an Strom zu gespeist werden. Rifkin gibt zwar zu,
dass Autoverkehr auf Autobahnen, (sauberer) Autoverkehr auf Autobahnen bleibt.
Der öffentliche, kollektive Nahverkehr wird fast völlig außer Acht gelassen;
opportunistisch loben die Dokumente den Ausbau peripherer Auffangbahnhöfe, die
Minister Bausch für die mittlere Zukunft geplant hat.
Das Problem ist, dass TIR-Lëtzebuerg zu keiner radikalen Kritik der
liberalen Transportpolitik der letzten Jahrzehnte fähig ist und dass der
transregionale Charakter des Problems außer Acht gelassen wird. In Deutschland
setzt die Bahn die Prioritäten der Investitionen dort, wo am meisten Gewinn mit
massiven Benutzerzahlen zu machen ist, auch wenn das in Korea stattfindet. In
Frankreich wurden ganze Bahnnetze den Regionen und Départements unterstellt,
die aber keine Mittel haben und massiv die Linien kappen. Zwei dieser
ehemaligen Linien (Düdelingen- Volmerange-les-Mines und Esch-Audun-le-Tiche)
sind im ersten französischen Grenzort abgebrochen. Die belgische Bahn
vernachlässigt die Strecke nach Brüssel und droht dauernd mit der Schliessung
der Strecke nach Liège. TIR-Lëtzeuerg verkennt diese Schieflage völlig und hat
daher auch keinerlei Lösung parat, außer: „programme pour des véhicules
personnels sans émissions“ und „le citoyen, selon und approche multimodale,
choisit une combinaison de modes de transports convenant le mieux à ses besoins
journaliers“. Also e-BMW 4x4.
Dieser Tage weilte der französische Minister Harlem Désir in Luxemburg und
prognostizierte eine mögliche Verdoppelung der Zahl der französischen
Grenzgänger von 90.000 auf 180.000. Auch wenn diese Prognose auf einem
vermeintlichen steten Wirtschaftswachstum aufbaut, was sagt TIR-Lëtzebuerg
dazu? TIR schweigt lieber. Transnationale Pläne für den öffentlichen Transport
sind nicht das Thema. Damit ist TIR-Lëtzebuerg wenigstens teilweise eine
Totgeburt.
Über weitere Aspekte, wie die Siedlungspolitik, die Ernährung, sie
zirkulare Ökonomie du die nachhaltige Entwicklungspolitik muss noch
zurückgekommen werden.
Frank Jost
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