Was stellen die wohlbetuchten Einwohner Luxemburgs mit ihrem Vermögen an
und wie wollen sie es vermehren? Nun, der Finanzplatz bietet wohl genug Möglichkeiten
zur Geldanlage an. Zur Beratung steht meistens eine Nichte oder ein Cousin
bereit, der am Platz arbeitet. Neueste Forschung hat ergeben, dass die Realität
anders aussieht.
Die reichsten Teile der Gesellschaft entwickeln sich von Unternehmern und
Händlern zu Rentiers, die eher auf den Stein als auf die Geldmärkte setzen.
Vor einem Jahr ungefähr hat ein Interview in der Tagespresse mich
aufhorchen lassen. Ein Escher Geschäftsmann, der seinen Laden in allerbester
Lage betrieben hatte, gab auf. Schuld daran sei die Stadtverwaltung, ohne dass
er die geringste Angabe machte, wie die Stadt sich schuldig gemacht hätte. In
der Beantwortung einer weiteren Frage, wie er seine Zukunft sehe, antwortete
er, er mache nun in Immobilien. Der Verweis auf die Stadtverwaltung war eine
Ausrede. Der Mann hat sein Lokal an eine Bank vermietet. Seine neuen Mieteinnahmen
dürften den Gewinn aus seinem Geschäft aufwiegen. Ein typischer Fall in
Luxemburg. Natürlich hat dies mit der Entwicklung der großen Einkaufszentren
auf der grünen Wiesen und der Implantation der internationalen Verkaufsketten
zu tun.
Große Diskrepanzen im Euroraum
Die Studien der EZB zu den Anlagen der Patrimonien der Haushalte zeigen,
dass die Verhalten sehr verschieden in den 15 Ländern des Euroraums sind. Die
realen Aktiva (der materielle Besitz) machen durchschnittlich 83,2% aus, davon
50,6% in Form der Eigentumswohnung. Im Euroraum machen die finanziellen Aktiva
wie Bankeinlagen, Lebensversicherungen, Aktien und Obligationen... 16,8% aus,
in Luxemburg aber nur 11,2%! Der überproportionierte Bankplatz hat nicht dazu
geführt, dass die Einwohner stärker zu Aktionären werden, im Gegenteil.
Die Ausrichtung des Patrimoniums der Haushalte hängt natürlich mit dem
jeweiligen Anteil an Eigenbesitz an der Wohnung in den einzelnen Ländern
zusammen. In Deutschland leben nur etwas mehr als 44% der Haushalte in eigenen
Mauern, im Durchschnitt der Euroländer sind es 60%, in Luxemburg 67,1% (oft
hört man gar von 70%), in der Slowakei gar 90%. Die Spareinlagen liegen im
Schnitt der 15 Länder bei 7,2% des Patrimoniums, in Frankreich und Deutschland
nur 4,8%, in Luxemburg nur etwas mehr als 3,5%. Die relative Armut der
Deutschen mag verwundern, ist die deutsche Volkswirtschaft doch Spitze in
Europa. Nun, die Bildung eines Familienpatrimoniums ist eine langwierige,
generationelle Angelegenheit. Zwei verlorene Weltkriege, eine Hyperinflation
dazwischen, die die Kleinbourgeoisie ruinierte und eine, seit Weltkrieg II
praktizierte Exportwirtschaft gekoppelt mit einer (relativen)
Niedriglohnpolitik haben das ihre dazu bei getragen, dass der Familienbesitz
bescheiden bleibt. Die Renten aus der Arbeit ebenso.
(Georges Canto im LL vom
25.11.2016)
Wie ticken die Reichen?
Seit nunmehr 4 Jahrzehnten wird das Mehrprodukt der kapitalistischen Länder
immer mehr an die Reichen und immer weniger an das Salariat verteilt. Das
stimmt auch für Luxemburg. In Luxemburg werden die Reichen viel mehr als in den
Vergleichsländern legislativ umhegt und umsorgt. Vermögenssteuer für
Privatpersonen und Haushalte: abgeschafft. Erbsteuer in direkter Linie: gibt es
nicht. Bankgeheimnis: wird für Residente nicht angerührt. Einkommen aus
Immobilienbesitz: durch die starke Demografie ist die Wertsteigerung dieses
Besitzes enorm. Für den biederen Haushalt, der mit einer eigenen Wohnung nichts
anderes tut als darin wohnen, bleibt die Wertsteigerung ohne direkten Effekt.
Bei der Vererbung schon. Bei der Vererbung von mehrfachem Immobilienbesitz wird
die bürgerliche Oberschicht stabilisiert. In Einzelfällen, wie beim polternden
Immobilienhai Flavio Becca und bei anderen, die sich diskret verhalten, führt
die brillante Lage im Immobiliengeschäft, vor allem im Bereich der
professionellen Gebäude, zur Herausbildung einer neuen großbürgerlichen
Schicht, die ihre Interessen auch im Lobbying und in der Politik durchsetzt. Am
unteren Ende der sozialen Pyramide leidet der Wohnungsmieter an den
unerschwinglichen Mieten und der nach wie vor fast inexistenten öffentlichen
Wohnungsbaupolitik.
Aus ehemaligen lokalen Verwalter des internationalen ARBED-Konzerns mit
Aktienanteilen, aus Kleinindustriellen und erfolgreichen Händlern sind, wenn
sie die Zeichen der Zeit erkannt haben, Rentiers geworden, die mit wenig
Einsatz von Jahr zu Jahr reicher werden. Dass dies der, mit Nachdruck von der
offiziellen Ideologie geforderten Ermutigung des „entrepreneuriat“,
widerspricht, stört kaum. Ein solcher unternehmerischer Geist entwickelt sich
bei einer kleinen Minderheit der eingewanderten Bevölkerung, auf eine fast
gleiche Art, wie bei der Herausbildung der italienischen (Bau)unternehmer in
den 1920er Jahren. Wie reich die wirklich Reichen Luxemburgs sind, weiß keiner.
Ohne Vermögenssteuer und mit Bankgeheimnis sind Statistiken schwer zu
erstellen. Das ist auch so gewollt.
Die Nischengesetze, die geschaffen wurden, um reiche internationale Anleger
ins Ländchen zu locken, profitieren auch den lokalen Immobilienbesitzern, wenn
sie clever handeln. Die Schaffung der spezialisierten Investierungsfonds (FIS) erlauben
es, Mehrwerte aus dem Privatbesitz weitgehend und legal am Fiskus vorbei zu
jonglieren. In seinem Beitrag im LL vom 25.11.2016 geht Bernard Thomas darauf
ein, wie Frieden einst bemerkte, es sei delikat, die Einwohner gegenüber den
ausländischen Anleger, (für die die Nischengesetze gedacht waren) zu
diskriminieren.
Die neuerlichen legislativen Bestimmungen betreffend die Behandlung der
ultrareichen Familienstiftungen (HNWI) werden gleichermaßen den Fortbestand des
luxemburgischen hochbürgerlichen Familienbesitzes garantieren. Hatten die Großväter
sich in Aachen oder Zürich zu industriellen Ingenieuren ausbilden lassen, so
tun es die EnkelInnen zu SteuervermeidungsingenieurInnen.
(LL – Beilage placements vom 28.11.2016)
Frank Jost
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen