Sonntag, 27. September 2020

Eine bisher unbekannte mittelalterliche Höhenburg in Esch !


In der Gemeinderatssitzung vom 25. September 2020 passierte der Tagesordnungspunkt nur nebenbei: der Gemeinderat gab einen „avis favorable“ zur Klassifizierung eines Areals im „Schlassbësch“ als „monument national“. Der Schlassbësch liegt im südöstlichen Teil des Gemeindeterritoriums nahe der Grenze zu Frankreich und der Gemeinde Rümelingen. Manche mögen das dortige Rosati-Haus kennen, das für romantische Übernachtungen im tiefen Wald gemietet oder als Grillplatz genutzt werden kann.

Die Klassifizierung als archäologische Schutzzone betrifft nicht das Rosati-Haus, das in modernen Zeiten als Werkshaus für einen Kalksteinbruch diente. Nun wird es spannend: die Auswertung eines LIDAR-Scans durch das „Centre national de recherche archéologique“ (CNRA) von 2019 brachte einen rechteckigen Bering von 43x67 Metern zu Tage in den sich eine rechteckige Burganlage von 30x50 Metern befindet mit einem runden Turm von mindestens 8 m Durchmesser und einem rechteckigen Gebäude von 15x9 Metern. Diese Ruinen sind unsichtbar unter dem Boden erhalten geblieben.

Unsichtbar sind sie für das menschliche Auge. Die Geschichtsfreunde aus Esch hatten bereits in den 80er Jahren schon das Areal untersucht aber es kamen keine stichfesten Erkenntnisse dabei heraus. Die LIDAR-Scan-Technik, die erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurde,  beruht auf einem LASER-Strahl der Strukturen unter dem Boden orten und messen kann. Sie erlaubt es den Archäologen des CNRA eine eingriffsfreie archäologische Forschung zu betreiben, d.h. sie brauchen nicht mühselig mit Kelle und Schaufel zu operieren. Die archäologische Substanz kann so erhalten und gesichert bleiben, ohne dass sie angetastet und beschädigt wird.

Was hat es nun auf sich mit dieser „mittelalterlichen Höhenburg“ auf Escher Gebiet? Noch gibt es außer der Bestimmung der Architektur mehr Fragen als Gewissheiten. Zu den Fragen: Es bleibt zu erfahren, wann die Burg gebaut wurde und wie lange sie gedient hat. Dazu bedarf es einer ausführlichen Grabung. Es ist auch nicht bekannt, wer sie gebaut hat. Es sind keinerlei schriftliche Dokumente zu dieser Burg bekannt. Das CNRA wagt es, die Frage auf zu werfen, ob es vielleicht ein Werk der adeligen Sippe der Malberg sein könnte. Diese war in Audun-le-Tiche, in Malberg (Eiffel) und in Fénétrange (dép. Moselle bei Sarrebourg) verankert. Das Schloss der Malberg in Oth stand an dem Platz wo heute der Markt abgehalten wird. In dem Fall müsste mindestens das enge Areal der Burg im Besitz der Malberg-Familie im Escher Territorium gewesen sein.

Gewissheiten gibt es kaum. Mit Vorsicht und unter Vorbehalt könnte man provisorisch festhalten, dass es sich um eine militärische Anlage halten muss, die dazu bestimmt war, eine größere Fläche zu kontrollieren. Das setzt voraus, dass diese Fläche damals nicht bewaldet war. Der Schlassbierg bildet eine wellige Hochebene auf +/- 400m über Meer (Esch liegt auf 300 m). Eine Burg im hohen Wald hätte gar keinen Sinn gemacht. Es muss auch nachgeprüft werden, wie damals die Zirkulation von Menschen, Truppen und Waren in der Gegend verlief. War der noch bestehende Weg, an dem die Burg liegt und der vor etwa hundert Jahren als Feldbahntraße für den Abtransport von Kalkstein diente, im Mittelalter eine Route von Bedeutung ? In diesem Fall könnte die Burg auch die Funktion einer Zollstation gehabt haben.

Faszinierend ist, dass ein Toponym („Flouernum“), mit dem lange Zeit nichts anzufangen war, endlich seine Berechtigung offenbart, außer dass der Begriff „Schloss“ natürlich nicht stimmt; „Buergbësch“ müsste er besser heißen.

Eine Frage muss ich noch loswerden, auch wenn sie momentan noch reichlich spekulativ ist: wenn das große Areal um die Burg kahl war, dann konnte sie für Ackerbau und Viehzucht genutzt werden. Nun trifft es sich, dass es für ein bedeutendes Gut im alten Esch nie eine genaue Situierung gegeben hat und doch ist seine Existenz unzweifelhaft. Das Nebelungusgut findet man in einer Echternacher Urkunde von 773, laut der, der Adelige Nebelungus der Abtei Willibrords ein Besitztum von 4 Mansen aus der „villa Hesc ( = Esch) schenkt. Es ist die erste Schrift, die Esch behandelt. Eine frühfränkische Manse maß laut Wikipedia je nachdem zwischen 11 und 16 moderne ha. Echternach verpachtete dann das Gut und zog den Pachtzins ein. Dazu gibt es spätere Schreibungen wie „Neuwlingsgutt“ (von 1573) oder „Neuwelinger Busche“ (1632) später aber auch wieder mal „Gutt“. Dieses Gut wurde also um 1600 verbuscht. Wäre etwas dran an der Situierung des Nebelungusguts oben in der Hochebene, dann hätte eine Burg am Rand der freien Fläche ihre Funktion verloren. Die Burg wäre also schon sehr früh wieder aufgegeben worden...

Das CNRA wird die genaue Geolokalisierung der Burg nicht bekanntgeben um zu verhindern, dass unqualifizierte „Schatzgräber“ den Fundort vermasseln. Es ist auch keineswegs sicher, dass dort demnächst eine Grabung stattfindet. Das hängt von den Prioritäten des nicht stark besetzten CNRA ab. Die Archäologie ist eine geduldige Wissenschaft.

(26.10.2020)

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