Sonntag, 7. Oktober 2018

Decke Gas an d’Gebléis(haal) !


In Anspielung an die denkwürdige Ausstellung « All we need » fand am Freitag, dem 5. Oktober ein gut besuchtes Seminar zur Entwicklung industrieller Baukultur in Luxemburg in der „Halle des Poches“ im Viertel Universitéit statt. Dieses Seminar fand nicht nur am richtigen Ort - hundert Meter von der Gebläsehalle – statt sondern vor allem auch zum richtigen Zeitpunkt. Die Frage der Zukunft dieser riesigen Halle ist nicht zu trennen von dem Gelingen des roadbooks des Kulturjahres 2022.



Neben vielen Spekulationen um Abriss oder Erhalt mangelte es an klaren Vorstellungen womit diese Halle gefüllt werden soll und überhaupt mit welchen Methoden an das Erbe der Industriearchitektur heran zu gehen ist. Das große Verdienst der Organisatoren dieses Seminars ist es, dass manches klarer geworden ist, weil die ganzen Fragen während 8 Stunden wissenschaftlich erörtert wurden. Die folgenden Zeilen sind kein Bericht des Seminars sondern meine provisorischen Schlussfolgerungen, die allerdings am letzten Freitag mächtig Nahrung erhalten haben.

Die Gebläsehalle ist in ihren Strukturen stabil, dies bestätigte ein anwesender Ingenieur von Arcelor-Mittal. Sie braucht wohl einen wärmenden Mantel, denn die Stahlfachwerkhülle ist auf Dauer zu dünn. Die Sinnhaftigkeit eines Abrisses mit kommerziell orientiertem Neubau ist zweifelhaft da anstelle nicht mehr soviel Volumen entstehen könnte, als jetzt vorhanden ist. Der anwesende Staatssekretär Arendt engagierte sich allerdings nur für den Erhalt der überlebenden Maschinen.

Die Gebläsehalle sollte multifunktional aufgefüllt werden, weil das Volumen dies zulässt, vor allem aber weil die Bedürfnisse vielseitig sind. Sie sollte ein Museum des industriellen Erbes enthalten, das in Belval vorgesehen war aber der Finanzkrise in den Jahren nach 2008 zu Opfer fiel. Sie sollte eine „Université populaire“ (Volkshochschule) beherbergen, die eine Verbindung zwischen den akademischen Aktivitäten der Uni und der Bevölkerung ihrer Umgebung herstellt (am besten mit einer Abteilung für Kinder). Als Begründung führe ich den kürzlich erschienen Sozialbericht der Stadt Esch an, der übrigens in der Uni erstellt wurde, die große Isolation in der die Uni und deren Professoren und StudentInnen werkeln und die ungesunde Trennung der gewachsenen Stadtviertel und dem neuen Universitätsviertel, die ein gegenseitiges durchdringen erschwert. Schließlich sollte die Gebläsehalle Raum bieten, damit die StudentInnen unabhängig von der sehr straffen patriarchalischen Struktur der Uni schöpferisch betätigen können.

Konjunkturell ,auf das Kulturjahr 2022 und dessen Vorbereitung bezogen, sollte die Halle das Hauptquartier von Esch 2022 beherbergen und sie könnte eventuell Raum bieten für eine große Kunstausstellung, wie sie von den Künstlern in den vergangenen Jahren bereits in Räumlichkeiten aufgebaut wurden, die dem Abriss oder dem Umbau geweiht waren...es sei dann dass eine Eigendynamik entsteht, die andere Gebäude in Esch anvisiert.

Die Erfahrungen der Differdinger Initiative 1535°, die im Schnittpunkt von künstlerischer Produktion und Gewerbe liegt, aber auch die Erfahrungen aus der Gründungsphase der Kulturfabrik können in dem Sinn einfließen, dass der Start von Aktivitäten in der Halle nicht abhängig sein kann von Bettelei im neoliberal geführten Kulturministerium, das den Sinn von Kulturaktivitäten im Wesentlichen auf die Ankurbelung von Wirtschaft sieht. Wichtig ist zudem, dass wenigstens eine Aktivität in der Halle einen permanenten Charakter haben muss, sonst könnte das Projekt am Abend von 2022 zusammenbrechen. Die Eigendynamiken werden darüber entscheiden ob die Gebläsehalle zu einem schöpferischen Zentrum wird, nicht irgendwelche ministeriellen oder kommunalpolitische Pläne. Sonst könnte es vorkommen, dass wir eines Tages ein Sportmuseum neben den Turbinen haben.

Das will wiederum nicht heißen, dass die Stadtverwaltung aus der Verantwortung entlassen werden soll. Der Schöffentrat hat sich für den Erhalt ausgesprochen. Wer A sagt darf ruhig B sagen. Die Stadt durfte bei der Planung von Belval bisher vornehmlich nur die Straßennamen bestimmen. Sie besitzt keinen Quadratmeter Terrain im Viertel Universitéit und keine Immobilie. Es ist nun die Gelegenheit geboten, sich ein bisschen einzumischen.

Dieser Beitrag versteht sich nicht als der Weisheit letzter Schluss, sondern als eine Meinungsbildung „at work“.

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