In Anspielung an die denkwürdige Ausstellung « All we need » fand
am Freitag, dem 5. Oktober ein gut besuchtes Seminar zur Entwicklung
industrieller Baukultur in Luxemburg in der „Halle des Poches“ im Viertel
Universitéit statt. Dieses Seminar fand nicht nur am richtigen Ort - hundert
Meter von der Gebläsehalle – statt sondern vor allem auch zum richtigen
Zeitpunkt. Die Frage der Zukunft dieser riesigen Halle ist nicht zu trennen von
dem Gelingen des roadbooks des Kulturjahres 2022.
Neben vielen Spekulationen um Abriss oder Erhalt mangelte es an klaren
Vorstellungen womit diese Halle gefüllt werden soll und überhaupt mit welchen
Methoden an das Erbe der Industriearchitektur heran zu gehen ist. Das große
Verdienst der Organisatoren dieses Seminars ist es, dass manches klarer
geworden ist, weil die ganzen Fragen während 8 Stunden wissenschaftlich
erörtert wurden. Die folgenden Zeilen sind kein Bericht des Seminars sondern
meine provisorischen Schlussfolgerungen, die allerdings am letzten Freitag
mächtig Nahrung erhalten haben.
Die Gebläsehalle ist in ihren Strukturen stabil, dies bestätigte ein
anwesender Ingenieur von Arcelor-Mittal. Sie braucht wohl einen wärmenden
Mantel, denn die Stahlfachwerkhülle ist auf Dauer zu dünn. Die Sinnhaftigkeit
eines Abrisses mit kommerziell orientiertem Neubau ist zweifelhaft da anstelle
nicht mehr soviel Volumen entstehen könnte, als jetzt vorhanden ist. Der
anwesende Staatssekretär Arendt engagierte sich allerdings nur für den Erhalt
der überlebenden Maschinen.
Die Gebläsehalle sollte multifunktional
aufgefüllt werden, weil das Volumen dies zulässt, vor allem aber weil die
Bedürfnisse vielseitig sind. Sie sollte ein Museum des industriellen Erbes
enthalten, das in Belval vorgesehen war aber der Finanzkrise in den Jahren nach
2008 zu Opfer fiel. Sie sollte eine „Université populaire“ (Volkshochschule)
beherbergen, die eine Verbindung zwischen den akademischen Aktivitäten der Uni
und der Bevölkerung ihrer Umgebung herstellt (am besten mit einer Abteilung für
Kinder). Als Begründung führe ich den kürzlich erschienen Sozialbericht der
Stadt Esch an, der übrigens in der Uni erstellt wurde, die große Isolation in
der die Uni und deren Professoren und StudentInnen werkeln und die ungesunde
Trennung der gewachsenen Stadtviertel und dem neuen Universitätsviertel, die
ein gegenseitiges durchdringen erschwert. Schließlich sollte die Gebläsehalle
Raum bieten, damit die StudentInnen unabhängig von der sehr straffen
patriarchalischen Struktur der Uni schöpferisch betätigen können.
Konjunkturell ,auf das Kulturjahr 2022 und dessen Vorbereitung bezogen,
sollte die Halle das Hauptquartier von Esch 2022 beherbergen und sie könnte
eventuell Raum bieten für eine große Kunstausstellung, wie sie von den
Künstlern in den vergangenen Jahren bereits in Räumlichkeiten aufgebaut wurden,
die dem Abriss oder dem Umbau geweiht waren...es sei dann dass eine
Eigendynamik entsteht, die andere Gebäude in Esch anvisiert.
Die Erfahrungen der Differdinger Initiative 1535°, die im Schnittpunkt von
künstlerischer Produktion und Gewerbe liegt, aber auch die Erfahrungen aus der
Gründungsphase der Kulturfabrik können in dem Sinn einfließen, dass der Start
von Aktivitäten in der Halle nicht abhängig sein kann von Bettelei im
neoliberal geführten Kulturministerium, das den Sinn von Kulturaktivitäten im
Wesentlichen auf die Ankurbelung von Wirtschaft sieht. Wichtig ist zudem, dass
wenigstens eine Aktivität in der Halle einen permanenten Charakter haben muss,
sonst könnte das Projekt am Abend von 2022 zusammenbrechen. Die Eigendynamiken
werden darüber entscheiden ob die Gebläsehalle zu einem schöpferischen Zentrum
wird, nicht irgendwelche ministeriellen oder kommunalpolitische Pläne. Sonst
könnte es vorkommen, dass wir eines Tages ein Sportmuseum neben den Turbinen
haben.
Das will wiederum nicht heißen, dass die Stadtverwaltung aus der
Verantwortung entlassen werden soll. Der Schöffentrat hat sich für den Erhalt
ausgesprochen. Wer A sagt darf ruhig B sagen. Die Stadt durfte bei der Planung
von Belval bisher vornehmlich nur die Straßennamen bestimmen. Sie besitzt keinen
Quadratmeter Terrain im Viertel Universitéit und keine Immobilie. Es ist nun
die Gelegenheit geboten, sich ein bisschen einzumischen.
Dieser Beitrag versteht sich nicht als der Weisheit letzter Schluss,
sondern als eine Meinungsbildung „at work“.
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