Sonntag, 24. November 2019

Ein kaum besprochenes Thema: Adaptation an den Klimawandel


Laut GIEC ist die Einhaltung der Obergrenze von 2 Grad Celsius Erwärmung bis 2100 (besser noch 1,5 Grad) möglich bei einem tiefgreifenden Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Dieser tiefgreifende Wandel ist zu zögerlich, daher die bedeutende Mobilisierung der Jugend, um die Klimaziele zu erreichen. Es geht um den Klimaschutz und der soll im folgenden Artikel nicht behandelt werden. Im Folgenden liegt der Akzent auf der Adaptation an die Folgen des bisher bereits erfolgten Klimawandels und an die wohl unumgängliche weitere Entwicklung bis Ende des Jahrhunderts.
Ein durchschnittlicher Temperaturanstieg, vor allem aber eine Zunahme von extremen Wetterlagen (Hitzewellen und Starkregen) sind bereits Fakten und werden sich so oder so nicht auflösen sondern verstärken. Adaptation bedeutet Anpassung im Sinne der Lehren von Onkel Darwin, gemäß denen diejenigen überleben, die dazu in der Lage sind, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Es soll durchaus auch versucht werden, sehr konkret auf die Frage einzugehen, was Adaptation in einer begrenzten Gegend wie einer Stadt wie Esch/Alzette von 36.000 (jetzt) – 60.000 (in 30 Jahren) Einwohnern bedeuten könnte.

Was hat sich bereits geändert und wird sich mit Sicherheit in den nächsten Jahrzehnten ändern?

Esch wird klimatisch gesehen in etwa dem Istzustand von Turin entsprechen, London dem von Paris, Paris dem von Perpignan... Die Bedingungen der landwirtschaftlichen Produktion verändern sich. In diesem Sommer gab es bereits kaum noch Maisproduktion und nicht genug Grünfutter.

Die Forstwirtschaft ändert sich und es wird sogar schon reagiert mit „Entfichtung“. Links neben der Auffahrt zu der Escher Waldschule wurde ein Fichtenwald von ein par Hektar kahl geschlagen, weil der warme Sommer zu einer derartigen Vermehrung des Borkenkäfers geführt hatte, dass alle Fichten unheilbar krank waren. Wegen der Abholzung und infolge des fehlenden Windschutzes fegte ein Frühjahrssturm eine Phalanx gesunder Fichten in einer Gartenlage um. Es gab viel Aufregung, keine Verletzte und begrenzter Schaden in der Anlage. Fichten wird es wohl in einigen Jahrzehnten bei uns keine mehr geben. Das ist nicht besonders dramatisch aber sicher ein Beispiel von einer notwendigen Adaptation an den Klimawandel.

Es wird vermehrt zu extremen Klimaereignissen kommen wie etwa Hitzewellen im Sommer oder Starkregen. Wir erlebten eine Hitzewelle in diesem Sommer und im Jahr zuvor den Starkregen im Müllerthal und an der weißen Ernz mit beträchtlichen Schäden. Die Windhose von Khärjeng und Petingen? Aufgepasst, nicht in Katastrophismus verfallen! Windhosen hat es bereits immer gegeben. Es gab in den 1960er Jahren eine in Bettendorf (bei Diekirch), die einen guten Teil des Dorfes abdeckte und eine andere in l’Eglise, einem Dorf in der Province du Luxembourg, nicht weit von her, mit beträchtlichen Schäden. Nicht alle extremen Naturphänomene sind dem Klimawandel geschuldet.

Was mögliche Überschwemmungen betrifft, hatte der Escher Gemeinderat vor einigen Wochen über einen Bericht diskutiert, nach dem sehr große Überschwemmungsgefahren von Alzette und Dipbach nur bedingt zu erwarten sind, wohl weil beide Wasserläufe recht bescheiden sind. Es gab auch einige Zweifel an der Methodik. Dennoch war angemahnt worden dass Areale wie die Siedlung Altena (Boulevard G.D. Charlotte bei der Lallinger Kirche) begrenzt gefährdet sind. (Hochwasserqualifikation HQ100 bedeutet eine Wahrscheinlichkeit von Überschwemmung 1x in 100 Jahren, HQ10 1x in 10 Jahren). Diese Qualifikation betrifft aber nur das Übertreten von Wasserläufen oder Wasserflächen, nicht die Überschwemmungen im Stadtgebiet wegen extremen Regengüssen. Letztere Überschwemmungen hängen auch davon ab, wie eine Stadt gebaut und geplant wird, wie das Verhältnis Absorption/Versiegelung  funktioniert; sie sollten also zu einem Thema des Urbanismus werden.

Ein anderes Thema sind die Hitzewellen und die gesundheitliche Gefährdung von Kleinkindern und alten Leuten im mineralisierten Stadtzentrum. In Erinnerung bleibt die hohe Sterblichkeitsrate von  SeniorInnen 2003 in Frankeich mit 15.ooo Toten. (Von den Nachbarländern gab es keine Erhebungen.)

Eine nuancierte Beurteilung der Lage

Eine Zwischenbemerkung gehört an dieser Stelle: die bereits spürbaren oder mittelfristig zu erwartenden Klimaveränderungen sind pro geografischer Bereich sehr unterschiedlich. Auf Europa bezogen, sind ernsthafte Sorgen in flachen Küstengebieten an der Nordsee berechtigt ebenso in den Deltas von Ebro, Rhône und Po. Dasselbe stimmt für die Desertifikation ganzer Teile Spaniens, Süditaliens sowie in Südportugal, Griechenland und einzelner Teile des Balkans. Ostdeutschland, Polen und Tschechien sind kaum betroffen. In einigen Teilen Skandinaviens, Finnlands, Estlands und Polens sind die Auswirkungen der Klimaänderungen sogar positiv. Die Landwirtschaft wird wohl profitieren. Luxemburg wird mit „low negative impact“ eingestuft, d.h. es wird nicht allzu schlimm kommen, aber dennoch negativ. Nun ja, eine „Mediterranisierung“ des Ländchens hat auch seinen Charme, ein kleiner Olivenbaum in meinem Garten auf 360 Höhenmetern würde mich schon reizen. (Quelle IRPUD, ESPON Climate Project 2011 – Agenturen der EU)

Nun ist hoffentlich deutlich geworden, dass zum Thema Adaptation, Panikmache fehl am Platz ist. Zum Thema Erfüllung der Klimaschutzziele aber gilt die höchste Alarmstufe!


Ein PAG-bis mit anpassenden Maßnahmen

Es drängt sich auf, in mittel- und langfristiger Perspektive, die Adaptation an die Klimaveränderung in die Stadtplanung zu integrieren.

Es geht ganz konkret darum, die Vulnerabilität der Stadt Esch zu erfassen und Gegenmaßnahmen in die Stadtplanung resp. Regionalplanung einfließen zu lassen. Welche müssten oder könnten diese Maßnahmen sein? Es muss für Esch nicht alles neu erfunden werden. Es gibt im Ausland Erfahrungen in dieser Hinsicht die man sich aneignen kann. Ich bin kein Spezialist in diesen Fragen und erwähne nur in loser Folge einige Maßnahmen, die an anderen Orten bereits Anwendung finden:

-       Es ist wichtig, kleinmeteorologische Kenntnisse über die eigene Stadt Esch zu erwerben. Wie laufen die Luftströme in Esch? Messungen am Findel sind für Esch nicht unbedingt relevant. Spezialisten reden von „Kaltluftenstehungsgebieten“, „Ventilationsbahnen“, „Freiflächen mit Abkühlungsfunktion“ und dergleichen.
-       Es sollte an verschattete Aufenthaltsorte in den dicht bebauten Gebieten gedacht werden an Wasserinstallationen mit fließendem Wasser oder sogar „brumisateurs“ während der Hitzewellen.
-       Die Stadt Esch sollte ihre Tradition von Baumalleen in vielen Straßen beibehalten und ausbauen. Die Escher merken es vielleicht nicht sosehr: Das ehemals graue Esch ist zur grünsten und farbigsten Stadt des Landes geworden. (Das melden Stadtluxemburger Besucher wenn sie sich einmal trauen in den tiefen Süden herb zu steigen!)
-       Apropos Farben. Große, graue Asphaltflächen speichern enorm viel Hitze, die erst nachts wieder ausgestoßen wird. Unvermeidliche versiegelte Flächen sollten helle Oberflächen haben, wie teils im Brillviertel bereits angewandt.
-       Es wird wohl unumgänglich auch städtische „plans cancule“ nicht nur in Altenheimen auszuarbeiten. Überhaupt sollten die Maßnahmen zur Adaptation an den Klimawandel mit starker Beteiligung der Bevölkerung diskutiert und implementiert werden.
-       Dies betrifft auch die völlig gegenproduktive Mode, die privaten Gärten und Vorgärten mit Grauwacke zuzudecken. Nicht alles was in den Baumärkten angeboten wird ist auch sinnvoll. Die Stadt wird nicht umhinkommen aufzuklären und zu reglementieren bisher fehlte dazu der politische Mut.
-       Wenn die Hochwassergefahr außer im Bereich des Zusammenflusses von Dipbach und Alzette gering erscheint, so ist keine Stadt gegen das Risiko von sehr starken Regenfällen automatisch gewappnet. Das gilt umso mehr wenn sie dicht bebaut ist und der Anteil an Versiegelung groß ist. Er wird unumgänglich sein, kommunale Schutzprogramme gegen Hochwasser zu erstellen (Garantie des Abflusses von Starkregen, Versickerung, Retention).
-       Es ist ein großes Glück, dass an der Stelle, wo die Alzette das Stadtgebiet verlässt, im „Schifflinger Brill“ ein recht großes Feuchtgebiet gerettet wurde, das auf natürliche Weise große überschüssige Wassermassen aufnehmen kann, vorausgesetzt, sie gelangen bis dahin. Die Renaturierung der Alzette und die Erbreiterung ihres potentiellen Bettes zwischen den Schlossweihern und den Kühlweihern von Arbed Esch-Schifflingen ist eine notwendige Maßnahme nicht nur für die Freude des Auges sondern vor allem für die Adaptation an extreme Wetterlagen.

Das sind einige Anregungen, die von berufener Seite viel besser und mit größerer und wissenschaftlicher Präzision dargestellt werden könnten. Sie sollen dazu dienen, die Problematik in die Stadtentwicklungspolitik (warum nicht auch in die PAG-Grafik?) einfließen zu lassen. Die Unterscheidung zwischen den Klimaschutzzielen und den Maßnahmen zur Adaptation ist methodisch unbedingt zu beachten!

24.11.2019

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