Sonntag, 31. Mai 2020

Transparenz oder Stacheldraht ?

Auf der roud Lëns in Esch rennen die Bagger gegen die Keeseminnen an. Nato-Stacheldraht hält neugierige Besucher fern. Obwohl namhafte Historiker, Kulturschaffende, Architekten und Politiker sich für deren Erhalt und Neuverwendung ausgesprochen haben, wurde der Abriss nicht gestoppt. Sagen wir es gleich: es scheint so als habe der Escher Schöffenrat die legalen Prozeduren zum Abriss eingehalten. Fair hat er dabei nicht gehandelt indem die Abrissgenehmigung im Sommerloch 2019 (9. August) vom Bürgermeister erstellt worden war und niemand den berühmten Zettel mit dem roten Punkt bemerkt hatte.


Abgesehen von den prozeduralen Fragen, geht es doch wohl hauptsächlich darum, auf die Argumente der Abrissgegner zu hören. Gemäß dem großherzoglichen Reglement vom 28.7.2011 hat die Gemeinde die Möglichkeit die Keeseminnen als „secteur protégé d’intérêt communal“ zu schützen sofern eine oder mehrere Bedingungen erfüllt sind, die im Artikel 33 dieses Reglements definiert sind: „authenticité de la substance bâtie“, „rareté“, „exemplarité“, „témoignange de l’immeuble pour l’histoire nationale, locale,(...) technique ou industrielle“. Alle diese Bedingungen sind zweifelsfrei mit den Keeseminnen erfüllt.

Sie wurden 1907 mit der ganz neuen Technik des Zements mit Stahlarmatur erbaut. In dem Sinne waren sie ein Pionierbau. Rar sind sie gewiss, da kein anderer Bau dieser Art im lothringisch-luxemburgischen Erzbecken auszumachen ist. Exemplarisch ist der Bau deshalb, weil er es zum ersten Mal erlaubte, nicht nur Erz zu bunkern sondern eine ununterbrochene Fütterung der Hochöfen zu gewährleisten, auch wenn der Nachschub aus technischen Gründen oder wegen eines Streiks (sie waren in den ersten Jahren von Terre Rouge – Rothe Erde zahlreich) einmal stockte.

In der letzten Gemeinderatssitzung musste die Debatte um die Roud Lëns und die Keeseminnen ausgesetzt werden, da die Räte kein Dokument vor Augen hatten und sich nur einen mit Bildern illustrierten mündlichen Bericht des Stadtarchitekten angehört hatten. Der derzeitige Masterplan des ganzen Projekts ist nicht publik, auch nicht für die gewählten Volksvertreter. Das lässt doch aufhorchen. Wie ist es denkbar, dass eine Gesamtübersicht über die Bebauung dieses neuen Viertels von mehr als 10 ha noch fehlt, die Vernichtung der Keeseminnen aber schon eine Gewissheit sein soll? 

Die ganze verfahrene Situation stammt daher, dass die Erschließung von Terre Rouge einem privaten Promotor übertragen wurde: IKO real estate des Herrn Lux, dem Besitzer der Areals, der dieses von Arcelor Mittal abgekauft hat. Das nennt man Privatisierung der Stadtplanung und Entmachtung der lokalen Demokratie! Nachdem bereits in den 1920er Jahre der namhafte Urbanist Stübben mit einen Stadtentwicklungsplan beauftragt wurde, der dann mehr oder weniger von der Stadtverwaltung in Eigenregie verwirklicht wurde, sehen wir auf Terre Rouge eine besorgniserregende Regression. Als Minimum sollte die Offenlegung des Masterplans – einem Vorboten des PAP’s (plan d’aménagement particulier, der vom Gemeinderat vor Baubeginn angenommen werden muss) – durchgesetzt werden und zwar vor dem Gemeinderat, der konsultativen Stadtentwicklungskommission und der gesamten Escher Bevölkerung. Letztere, d.h. wir alle, haben ein elementares Recht darauf, informiert zu werden, was genau auf der alten „Brasseursschmelz“ in Planung ist, denn die Roud Lëns wird eines Tages ein normales Escher Stadtviertel mit tausenden Einwohnern sein, und es stellen sich noch eine Menge Fragen wie die Anbindung an die anderen Viertel, der Verkehrsfluss, die Anpassung des neuen Viertels an die Klimaveränderung, der bezahlbare Wohnraum, die mögliche Wiederverwendung der Keeseminnen z.B. als Bahnhofsgebäude mit noch anderen Funktionen...

Neugier muss nun die erste Bürgerpflicht sein, Transparenz die oberste Forderung!

31.5.2020 

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